Die aktuelle Reform der Alternativen Streitbeilegung in der Europäischen Union führt zu wichtigen Änderungen bei den Informationspflichten von Unternehmen. Die sog. Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung (OS-Plattform) sowie die ihr zugrunde liegende Verordnung über die Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (sog. ODR-VO ((EU) 524/2013)) werden abgeschafft.
Seit 2016 müssen Unternehmen, die mit Verbrauchern Online-Kaufverträge oder Online- Dienstleistungsverträge eingehen oder einen Online-Marktplatz betreiben, auf der Website und ggf. auch in den AGB einen (klickbaren) Link auf die OS-Plattform bereitstellen (Art. 14 ODR-VO).
In der Praxis erfolgt dann meist im Impressum beziehungsweise zusätzlich in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ein Hinweis wie folgt:
- Plattform der EU-Kommission zur Online-Streitbeilegung: https://www.ec.europa.eu/consumers/odr
Die wichtigsten Konsequenzen der Aufhebung der ODR-VO:
- Die OS-Plattform wird zum 20.07.2025 eingestellt und es werden alle zugehörigen Informationen gelöscht.
- Neue Beschwerden können letztmalig am 20.03.2025 eingereicht werden. Dann kann die OS-Plattform bis maximal zum 19.07.2025 genutzt werden.
Grund hierfür ist, dass die OS-Plattform kaum von Verbrauchern genutzt wurde (jährlich wurden nicht einmal 200 Fälle an sog. alternative Streitbeilegungsstellen (sog. AS-Stellen) weitergeleitet.
Was müssen betroffene Online-Händler tun?
- Hinweis auf die OS-Plattform aus den AGB bzw. der Website zum 20.07.2025 entfernen (danach drohen Abmahnungen).
- Sofern vorhanden: abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärungen sowie gegen das Unternehmen erlassene einstweilige Verfügungen oder Gerichtsurteile überprüfen, deren Gegenstand (auch) die OS-Plattform ist.
- Bei strafbewehrten Unterlassungserklärungen kann eine (formgerechte) Kündigung zum 20.07.2025 erforderlich sein. Das gilt insbesondere, wenn keine auflösende Bedingung für den Fall einer veränderten Rechtslage in Bezug auf das abgemahnte Verhalten vereinbart worden ist. Denn die Unterlassungserklärung bleibt in der Regel wirksam und kann in vielen Fällen eine Vertragsstrafe zur Folge haben.
- Bei einstweiligen Verfügungen oder Urteilen kann demgegenüber insbesondere eine Aufforderung zum Verzicht auf die Geltendmachung von Rechten bzw. zum Vollstreckungsverzicht angezeigt sein. Der Tenor des Urteils oder Beschlusses bleibt nämlich regelmäßig vollstreckbar.
Welche Pflichten gelten gem. ADR-RL und VSBG und werden nicht berührt?
Neben der Abschaffung der ODR-VO wird auch die Richtlinie zur alternativen Streitbelegung (ADR-RL (EU 2013/11)) reformiert. Die ADR-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten seit 2015 zur Einrichtung alternativer Streitbeilegungsstellen. Als EU-Richtlinie gilt die ADR-RL nicht unmittelbar, sondern muss von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.
Dies ist in Deutschland vornehmlich durch die §§ 36, 37 des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) geschehen. Danach müssen Unternehmer ab 10 Beschäftigten und Niederlassung in Deutschland, die Verträge mit Verbrauchern (B2C) schließen und eine Webseite unterhalten/AGB verwenden., seit Anfang 2017 darüber informieren, inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
Die Teilnahme an der alternativen Streitbeilegung ist größtenteils freiwillig. Eine gesetzliche Pflicht besteht für bestimmte Branchen (beispielsweise gem. § 111b EnWG , § 57a LuftVG) oder kann sich aus einer Vereinssatzung oder Selbstverpflichtungserklärung ergeben.
Für Unternehmen, die weder freiwillig an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilnehmen möchten noch gesetzlich dazu verpflichtet sind, sieht der entsprechende Hinweis, der überwiegend im Impressum bzw. den AGB aufgenommen werden muss, daher wie folgt aus:
- „Wir sind weder bereit noch verpflichtet, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.“
Verpflichtende Hinweise dieser Art müssen vorerst bleiben! Erst wenn sich die Reformvorhaben weiter konkretisieren, könnten weitere Anpassungen der Informationspflichten gem. ADR-RL oder VSBG erforderlich sein (s.u.).
Wie sieht das Reformvorhaben in Bezug auf die ADR-RL derzeit aus?
Auf europäischer Ebene werden derzeit insbesondere folgende Vorschläge diskutiert:
- Erweiterung des Anwendungsbereiches über den europäischen Binnenmarkt hinweg
- Streitigkeiten über alle Verstöße gegen EU-Verbraucherrecht sollen vom Anwendungsbereich umfasst sein (derzeit ist ein (Wohn-)Sitz in der EU erforderlich)
- Antwortpflicht für Händler innerhalb von 20 Arbeitstagen auf Anfrage einer AS-Stelle (unabhängig von ihrer Bereitschaft, an einem AS-Verfahren teilzunehmen).
Es bleibt abzuwarten, wie die Reformvorhaben der ADR-RL und ihrer nationalen Umsetzung konkret erfolgen werden. Auf europäischer Ebene wurde aufgrund der unterschiedlichen Positionen des Europäischen Parlaments und des Rates zur ADR-RL ein Trilog-Verfahren eingeleitet. Die erste Trilog-Sitzung fand am 20. Februar 2025 statt.
Welche Folgen könnte die Reform des VSBG auf Unternehmen haben?
Auch auf nationaler Ebene wird derzeit über eine Reform des VSBG beraten. Im Oktober 2024 hat das Bundesjustizministerium (BMJ) einen Referentenentwurf (VSBG-E) zu möglichen Änderungen im VSBG veröffentlicht. Dieser enthält in §§ 36, 37 VSBG-E insbesondere eine Reduktion der Informationspflichten für Unternehmen und eine Konkretisierung des Zeitpunktes der Informationspflicht im Streitfall. Durch das VSBG-E sind vor allem folgende Pflichten für Unternehmen geplant:
- Allgemeine Informationspflicht (§ 36 VSBG-E) nur noch, wenn sich Unternehmer (freiwillig) zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren verpflichtet haben oder rechtlich dazu verpflichtet sind.
- Zeitpunkt der Informationspflicht im Streitfall (§ 37 VSBG-E) wird vorverlagert auf „nach Entstehen der Streitigkeit“ (Mitteilungspflichten sind „unverzüglich“ zu erfüllen, wenn der geltend gemachte Anspruch des Verbrauchers nicht oder nicht vollständig erfüllt wird).
- Zusätzlich zur Bereitschaft oder Verpflichtung zur Teilnahme an einem AS-Verfahren ist bei einer solchen Bereitschaft oder Verpflichtung auch die Anschrift und Adresse der Website der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle(n) anzugeben.
Fazit und wichtigste To-Dos für betroffene Unternehmen:
- Überprüfen, ob die Informationen auf der Website – in der Regel meist Impressum und AGB – aktuell sind und erforderliche Anpassungen vornehmen.
- (Nur) die Pflichten aus der ODR-VO werden ab dem 20.07.2025 für Unternehmen entfallen, d.h. es ist dann erforderlich, den folgenden Hinweis von Website/aus AGB/allen Dokumenten zu entfernen:
Plattform der EU-Kommission zur Online-Streitbeilegung: https://www.ec.europa.eu/consumers/odr
- Etwaige Unterlassungserklärungen, einstweilige Verfügungen und Urteile sollten überprüft werden.
- Dagegen muss der folgende Hinweis vorerst auf Basis der ADR-RL und deutschem VSBG (in konkret anwendbarer Form) bestehen bleiben:
Wir sind weder bereit noch verpflichtet, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Sie hierbei unterstützen können oder Sie Fragen dazu haben.
