Die digitale Entwicklung macht auch vor der Jägerschaft nicht Halt, und so gehören digitale Wildkameras heute praktisch zur Standardrevierausrüstung. Sie dienen der Beobachtung von Wildbeständen, werden regelmäßig in unzugänglichen Bereichen eingesetzt und sind doch in den Fokus der Datenschutzaufsichtsbehörden geraten. Grund genug für Waidmänner, sich mit den datenschutzrechtlichen Anforderungen an ihren Einsatz auseinanderzusetzen.
1. Hintergrund der Diskussion
Die Diskussion um datenschutzrechtliche Anforderungen an den Einsatz von Wildkameras wurde maßgeblich durch einen Bericht über einen Kärntener Kommunalpolitiker ausgelöst, der von einer Wildkamera „in flagranti“ bei einem Seitensprung erwischt wurde. Dieser Bericht schlug Wellen über Österreich hinaus, so dass auch deutsche Datenschutzaufsichtsbehörden Wildkameras in den Fokus ihrer Kontrolltätigkeit genommen haben (Siehe hierzu Stellungnahmen der niedersächsischen Datenschutzbeauftragten [PDF] und des ULD Saarland [PDF]). Auch Bußgelder wurden schon für den Einsatz von Wildkameras verhängt.
2. Anwendbares Recht
Die datenschutzrechtlichen Fragen des Wildkameraeinsatzes sind komplex und beginnen bereits mit der Bestimmung des anwendbaren Gesetzes. Ob das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) oder die Landesdatenschutzgesetze (LDSG) anwendbar sind, hängt im Ergebnis davon ab, wer die Wildkamera einsetzt.
2.1. Einsatz von Wildkameras nach dem BDSG
Das BDSG gilt gemäß § 1 Abs. 2 BDSG für öffentlich-rechtliche Stellen des Bundes (z.B. die Bundesforstbehörden) und nicht-öffentliche Stellen (also natürliche und juristische Personen des Privatrechts) es sei denn, diese verarbeiten personenbezogene Daten zu persönlichen oder familiären Zwecken. Das BDSG ist jedoch nicht anzuwenden, wenn eine natürliche Person Wildkameras ausschließlich zu privaten Zwecken einsetzt, ohne dass ein Zusammenhang zu einer gewerblichen Tätigkeit besteht. Denkbar ist dies etwa für Jagdpächter, die die Jagd ohne jedes gewerbliche Interesse ausüben – die Gewerblichkeit dürfte im Zweifel jedoch schnell erreicht sein.
Das BDSG enthält in § 6b BDSG eine Regelung zum Einsatz von Kameras in öffentlich zugänglichen Bereichen, die grundsätzlich auch für den Einsatz von Wildkameras Anwendung findet:
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zweckeerforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
(2) Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.
[…]
In nicht-öffentlichen Bereichen gilt die allgemeine Regelung gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG. Danach ist die Videoüberwachung zulässig,
soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt, […]
Auch wenn das BDSG keine Anwendung findet, bewegt man sich beim Einsatz von Wildkameras allerdings nicht im rechtsfreien Raum. In diesem Fall können betroffene Dritte, z.B. Wanderer oder Grundstückseigentümer, einen Anspruch auf Unterlassung haben, den sogenannten quasinegatorischen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog. Für die Durchsetzung dieses Anspruchs sind die Datenschutzaufsichtsbehörden jedoch nicht zuständig. Die Betroffenen müssen diesen vielmehr selbst durchsetzen; ultimativ im Rahmen eines Zivilprozesses.
2.2. Einsatz von Wildkameras nach den LDSG
Datenverarbeitung durch öffentlich-rechtliche Stellen der Länder (z.B. die Landesforstbehörden) ist in den 16 Landesdatenschutzgesetzen geregelt, die vergleichbar dem BDSG Spezialregelungen zur Videoüberwachung enthalten, wie § 30 HambDSG [PDF].
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher und besonders gefährdeter nicht öffentlich zugänglicher Bereiche innerhalb und außerhalb von Dienstgebäuden mit optischelektronischen Einrichtungen (Videobeobachtung) ist nur zulässig, soweit sie in Ausübung des Hausrechts der verantwortlichen Stelle
1. zum Schutz von Personen und Sachen oder
2. zur Überwachung von Zugangsberechtigungen
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
3. Anforderungen an den Einsatz von Wildkameras
Trotz der unterschiedlichen Regelungen zum Einsatz von Wildkameras lassen sich allgemeine Grundsätze für ihren Einsatz ableiten, deren Beachtung datenschutzrechtliche Risiken erheblich senken kann.
Die Regelungen beruhen auf dem Konzept einer Abwägung der Interessen des Verwenders der Wildkamera mit denen der Betroffenen. Im ersten Schritt der Bewertung sind daher die Interessen des Verwenders festzustellen. Für den Einsatz zu jagdlichen Zwecken will man typischerweise Wildbestände identifizieren und die Bejagung erleichtern. Für Jagdpächter bedeutet dies nichts anderes, als die Ausübung ihres Rechts zur Wildhege, Jagdausübung und Aneignung des erlegten Wildes. Für den jagdlichen Einsatz von Wildkameras besteht daher regelmäßig ein berechtigtes Interesse (so auch LG Essen).
Ob diesem Interesse berechtigte und überwiegende Interessen von Betroffenen entgegenstehen, hängt wesentlich davon ab, ob sich Dritte berechtigterweise in den überwachten Bereichen aufhalten dürfen. Für jagdliche Einrichtungen können Betretungsverbote bestehen (siehe § 3 LFG NRW und § 16 Abs. 1 HessWaldG). In solch einem Fall bestehen regelmäßig keine berechtigten Interessen, sich 1. in dem überwachten Bereich aufzuhalten und 2. dabei unbeobachtet zu bleiben. Dann spricht viel für die Zulässigkeit des Einsatzes von Wildkameras.
Ähnliches gilt für den Einsatz von Wildkameras auf privaten Grundstücken, zu denen die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat. Auch hier können berechtigte Interessen von Dritten nicht beeinträchtigt sein, sondern allenfalls des Grundstückseigentümers und ggf. weiterer zutrittsberechtigter Personen. Der Jagdpächter kann hier grundsätzlich eine Einwilligung der Betroffenen einholen und so den Einsatz von Wildkameras rechtfertigen.
Darüber hinaus empfiehlt es sich, beim Einsatz von Wildkameras die Erfassung von Personen zu vermeiden oder Personen nur so zu erfassen, dass sie nicht identifiziert werden können. Gelingt dies zuverlässig, ist das Datenschutzrecht mangels Personenzugs nämlich nicht anwendbar. Entsprechend empfiehl etwa das ULD Saarland [PDF], Wildkameras möglichst entfernt von Wegen und in Hüfthöhe mit Ausrichtung nach unten aufzuhängen.
4. Hinweisschilder und was es sonst noch zu beachten gilt
Jedenfalls für den Einsatz von Kameras in öffentlich zugänglichen Bereichen besteht eine Hinweispflicht. Es muss daher (in der Regel durch Hinweisschilder) auf die Videoüberwachung hingewiesen werden, so dass der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle erkennbar sind. Beim Einsatz von Wildkameras besteht dabei ein Problem: wird zu konkret auf den Einsatz einer Wildkamera hingewiesen, besteht ein konkretes Risiko, dass diese gefunden und mitgenommen wird. Das löst im Zweifel datenschutzrechtliche Probleme, ist aber bestimmt nicht im Interesse des Verwenders.
Als Lösung empfiehlt das ULD Saarland, den Einsatz von Wildkameras zweimal im Jahr im Amts- oder Gemeindeblatt bekanntzumachen und auf Wanderkarten zu vermerken [PDF]. Ob sich diese Rechtsansicht tatsächlich auf den Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Regelungen zurückführen lässt, kann man sicherlich diskutieren. Zweckmäßig dürfte es vielmehr sein, an den Wegen zu Revierteilen mit Wildkameras Hinweisschilder anzubringen.
Zudem bestehen beim Einsatz von Wildkameras, die personenbezogene Daten erheben (also Personen erkennbar aufnehmen), allgemeine datenschutzrechtliche Pflichten, wie die Erstellung einer Verarbeitungsübersicht und die Aufnahme der Wildüberwachung darin. Soweit ein Datenschutzbeauftragter bestellt ist, muss zudem eine Vorabkontrolle durchgeführt werden; sonst muss die Wildüberwachung unter den Voraussetzungen gemäß § 4d Abs. 1 BDSG oder der entsprechenden Vorschrift des LDSG der Aufsichtsbehörde gemeldet werden.
In der Regel werden private Jagdpächter nicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet sei und müssten den Einsatz von Wildkameras damit melden; faktisch dürfte das jedoch wie die Führung von Verarbeitungsübersichten unter Jagdpächtern eher die Ausnahme als die Regel sein. Umso wichtiger ist es, die Erhebung personenbezogener Daten und damit die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts möglichst zu vermeiden.
5. Fazit und Praxisempfehlung
Das Datenschutzrecht macht vor den Jagdreviergrenzen keinen Halt, und so ergeben sich beim Einsatz von Wildkameras auf den ersten Blick nicht zu erwartende komplexe datenschutzrechtliche Probleme. Erste Maßnahme zur Risikominimierung sollte es sein, die Erfassung von Personen zu vermeiden oder so zu gestalten, dass kein Personenbezug hergestellt werden kann. Selbst wenn dies nicht gelingt, gibt es jedoch berechtigte Interessen von Jägern, die den Einsatz von Wildkameras rechtfertigen können. Jäger sollten sich daher datenschutzrechtliche Risiken beim Einsatz von Wildkameras bewusst machen und den Einsatz von Wildkameras so gestalten, dass diese möglichst vermieden werden. Zu diesem Zweck finden Sie hier [PDF] unsere “Checkliste zum Einsatz von Wildkameras”; meinen Leitfaden zum rechtskonformen Wildkameraeinsatz finden Sie in Wir Jagen 6/2016.
Bild: (c) Feuermond16, CC-BY-SA 3.0