Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einer neueren Entscheidung vom 22. September 2016 (2 AZR 848/15) mit der Zulässigkeit einer Kündigung beschäftigt, die im Wesentlichen auf Erkenntnissen aus einer verdeckten Videoüberwachung beruhte. Welche Änderungen sich hieraus beim Einsatz von verdeckten Videoaufnahmen ergeben, wird nachfolgend dargestellt.

I. Sachverhalt

Die Klägerin war seit circa 15 Jahren bei der Beklagten – einem Unternehmen des Lebensmitteleinsatzhandels – zuletzt als stellvertretende Filialleiterin beschäftigt und vorwiegend an der Kasse eingesetzt. Im Rahmen einer Inventur Ende 2013 stellte die Beklagte in den Warengruppen Tabak/Zigaretten und Nonfood einen Inventurverlust des ungefähr Zehnfachen im Vergleich zum Vorjahr fest. Nach Recherchen der Beklagten konnte diese Differenz wohl nur auf das beschäftigte Personal zurückgeführt werden. Da die anschließenden Revisionsmaßnahmen, unter anderem auch Taschenkontrollen bei den Mitarbeitern, zu keiner Aufklärung führten, wurde mit Zustimmung des Betriebsrates eine verdeckte Videoüberwachung für den Kassenbereich eingeführt.

Auf einer Videosequenz war zu sehen, wie die Klägerin eine „Musterpfandflasche“ über den Scanner zog, eine Leergutregistrierung durchführte und Geld der Kasse entnahm. Der von ihr erstellte Kassenbon wies einen Betrag von 3,25 € aus.

Bei der Entdeckung dieses Vorgangs handelte es sich um einen sogenannten „Zufallsfund“, da die Filialleiterin nicht verdächtigt wurde, an dem Inventurverlust mitverantwortlich zu sein.

Die Beklagte kündigte der Filialleiterin fristlos. Diese wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht gab der Klage zunächst statt (ArbG Duisburg, Urteil vom 4.9.2014 – 1 Ca 272/14). Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Klage hingegen ab (LAG Düsseldorf, Urteil vom 7.12.2015 – 7 Sa 1078/14). Das BAG hat nun die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt.

II. Datenschutzrechtliche Aspekte des Urteils

Unter datenschutzrechtlichen Aspekten ist das Urteil beachtenswert, da es sich mit der umstrittenen Frage beschäftigt, ob Zufallsfunde ein taugliches Beweismittel darstellen, wenn sie im Rahmen einer verdeckten Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten im Arbeitsverhältnis entdeckt wurden.

Das Urteil schafft auch in der Frage Klarheit, ob § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG eine Sperrwirkung entfaltet und es verbietet, mit verdeckter Videoüberwachung konkreten Anhaltspunkten für schwere, aber nicht strafbare, Pflichtverletzungen nachzugehen.

Die Richter beurteilten das Vorgehen des Arbeitgebers als von § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG gedeckt.

Für die heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz gilt seit dem Grundsatzurteil des BAG im Jahr 2003 (BAG, Urteil vom 27.3.2003 – 2 AZR 51/02), dass Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung nur dann zulässig sind, wenn

  • der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers besteht,
  • weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, das heißt die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und
  • sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.

Der Verdacht muss sich gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten.

Allerdings war zum Zeitpunkt dieser Entscheidung § 32 BDSG noch nicht in Kraft. In dem 2009 eingeführten § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG heißt es nunmehr ausdrücklich:

Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

In einem Urteil aus dem Jahr 2013 hatte das BAG noch ausdrücklich offengelassen, ob es für eine gerechtfertigte heimliche Videoüberwachung unter Beachtung des § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG ausreicht, dass „nur“ der Verdacht einer schweren Pflichtverletzung besteht, ohne dass zugleich ihre Strafbarkeit feststünde (BAG, Urteil vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 (zitiert nach Juris) – Rn. 53).

Das BAG stellte nunmehr fest, dass § 32 BDSG die durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bündeln, jedoch nicht verändern wollte. Soweit sich aus dem Wortlaut des § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG etwas Anderes ergäbe, sei der Wortlaut „verunglückt“. Hiernach orientiert sich § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG an den inhaltlichen Anforderungen des beschriebenen Grundsatzurteils aus dem Jahr 2003. Demnach verbietet der Wortlaut des § 32 Absatz 1 BDSG nicht, konkreten Anhaltspunkten für schwere Pflichtverletzungen nachzugehen.

Der Kreis der Verdächtigen ist so weit wie möglich einzugrenzen. § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG sei jedoch nicht so zu verstehen, dass Überwachungsmaßnahmen nur bereits konkret verdächtige Personen erfassen dürften.

III. Fazit

Für die Zulässigkeit einer datenschutzrechtlichen Maßnahme kommt es auf ihre Verhältnismäßigkeit an.

Vor heimlichen Kontrollmaßnahmen müssen alle milderen Maßnahmen erfolglos ausgeschöpft sein. Die dem Urteil zugrundeliegende heimliche Videoüberwachung war rechtmäßig, da der Arbeitgeber vorher alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Ermittlung des Inventurverlustes erfolglos ausgeschöpft und das versteckte Kamera-System als „Ulima-Ratio“ Lösung eingesetzt hatte. Im Ergebnis war der Arbeitgeber daher berechtigt, die Videoaufnahme als Beweis für eine schwere Pflichtverletzung der Klägerin heranzuziehen und ihr auf dieser Grundlage fristlos nach § 626 BGB zu kündigen.