Das Landgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 18. November 2016 (310 0 402/16) im einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden, dass Betreiber von Webseiten mit Gewinnerzielungsabsicht durch eine Verlinkung auf urheberrechtswidrige Inhalte das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Urhebers im Sinne des §19a UrhG verletzen können. Die Auffassung des Landgerichts führt faktisch zu einer Prüfpflicht von Webseiten-Betreibern, ob auf verlinkten Webseiten Urheberrechtsverstöße vorliegen, da die Verlinkung auf diese als eine eigene öffentliche Zugänglichmachung des Werkes behandelt wird.
Der Beschluss, der sich in weiten Teilen an der wegweisenden “Sanoma-Entscheidung “ des EuGH vom September dieses Jahres (C-160/15) zur Frage der Linkhaftung orientiert, wird nicht nur von Juristen scharf kritisiert. Sollte die vorgenommene Leseart der EuGH-Entscheidung in der Instanzrechtsprechung Schule machen, wird dies mit einer erhöhten Abmahngefahr und allgemein steigender Rechtsunsicherheit bei der Verlinkung auf Inhalte Dritter einhergehen.
Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der klagende Fotograf hatte ein Foto erstellt und für dieses eine Creative-Commons-Lizenz erteilt, nach der Veränderungen an dem Foto einer Kenntlichmachung bedurften. Der Fotograf entdeckte auf der Webseite des Antragsgegners einen Artikel, welches mit einem seiner Foto illustriert war. Das Foto wurde vom Autor jedoch umgestaltet. Es lag weder eine Einwilligung zur Nutzung noch ein Hinweis auf die Veränderung des Fotos vor. Nachdem der Antragsgegner die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht unterzeichnete, machte der Antragsteller seine Ansprüche mit einstweiliger Verfügung geltend.
1. Link als eigene öffentliche Wiedergabe
Das Landgericht führte im Wesentlichen aus, dass die Umgestaltung des Fotos ohne Einwilligung und entgegen der Lizenzbestimmung einen Verstoß gegen § 23 Satz 1 UrhG darstellt. Die Internetseite, auf welcher der Artikel mit dem veränderten Foto veröffentlicht wurde, sei eine öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) einer Umgestaltung des Verfügungsmusters im Sinne von § 23 Satz 1 UrhG. Mit Verweis auf die neuere EuGH-Rechtsprechung zog sie dann auch im Hinblick auf die Verlinkung des Antragsgegners den Schluss:
“Die Verlinkung des Antragsgegners auf die Zugänglichmachung der Umgestaltung war ihrerseits eine eigene öffentliche Wiedergabe dieser Umgestaltung im Sinne der zitierten EuGH-Rechtsprechung.”
Unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung bejahte das Gericht die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der “öffentlichen Wiedergabe durch Verlinkung”.
Für die öffentliche Wiedergabe kommt es gemäß der EuGH-Rechtsprechung darauf an, ob der Zugriff für ein neues Publikum eröffnet wird, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Die Hamburger Richter schlossen hieraus, dass es für die Frage der öffentlichen Wiedergabe im konkreten Fall darauf ankam, ob der Antragsteller seine Zustimmung zu einer frei zugänglichen anderweitigen Zugänglichmachung gerade auch der Umgestaltung des ursprünglichen Fotos gegeben hatte, was verneint wurde, da weder eine Zustimmung des Urhebers vorlag, noch die Umgestaltung von der Lizenzbestimmung gedeckt gewesen sei.
Die Voraussetzungen der subjektiven Tatbestandsmerkmale für eine Zurechnung der Rechtsverletzung werden in der Praxis noch eine gewichtige Rolle spielen. Auch hier hat das Landgericht im großen Umfang Bezug auf das EuGH-Urteil genommen.
2. Rückblick: EuGH-Urteil vom 08.September 2016 (C-160/15)
In dem vom EuGH entschiedenen Rechtsstreit ging es darum, dass ein niederländisches Online-Magazin Links auf illegal kopierte Fotos eines niederländischen TV-Stars gesetzt hatte, wodurch die Leser bei Aufruf des Online-Magazins und Anklicken der dort bereitgestellten Links die urheberrechtsverletzenden Fotos betrachten konnten. Nachdem auf Verlangen der Berechtigten die Löschung der Inhalte erfolgte, suchte sich das Online-Magazin eine andere Quelle, auf die nun verlinkt wurde. Das Online-Magazin wusste auch um die Widerrechtlichkeit der verlinkten Inhalte, da der Urheberrechtsinhaber sie schon wegen der ersten Verlinkung darauf hingewiesen hatte.
Die EuGH-Richter stießen sich an dem Umstand, dass das kommerzielle Magazin trotz sicheren Wissens über die Rechtsverletzung erneut auf urheberrechtsverletzende Inhalte verlinkte. Sie entschieden vor diesem Hintergrund:
“[Tz. 49] Ist dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde-, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe” im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.”
Die Formulierung “wusste oder hätte wissen müssen”, setzt den Verschuldensrahmen fest, in der die Verletzungshandlung zurechenbar ist. Der EuGH beließ es jedoch nicht bei der Haftung für Vorsatz und Fahrlässigkeit, sondern nahm darüber hinaus in den Fällen eines mit Gewinnerzielungsabsicht Handelnden eine widerlegliche Vermutung hinsichtlich des Kennen Müssens, daher fahrlässiger Unkenntnis, an:
“ [Tz. 51] ]Im Übrigen kann, wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stellt daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet wird, die Handlung, die im Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk besteht, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.”
Diesen Verschuldensmaßstab griff das Landgericht Hamburg in seiner Entscheidung nun explizit auf:
“Der EuGH nimmt daher grundsätzlich nur dann eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe an, wenn die Linksetzung schuldhaft in dem Sinne erfolgt, dass der Linksetzer um die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung „wusste oder hätte wissen müssen” (a.a.0. Tz. 49), wobei letzteres ersichtlich auch Fälle der Fahrlässigkeit erfassen soll. Damit macht der EuGH im Falle der Linksetzung den Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe von einem Verschulden des Linksetzers abhängig. Tz. 51 macht sodann deutlich, dass für denjenigen, der mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, ein strengerer Verschuldensmaßstab gilt: Ihm wird zugemutet, sich durch Nachforschungen zu vergewissern, ob der verlinkte Inhalt rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, wobei die widerlegliche Vermutung einer Kenntnis der fehlenden Erlaubnis bestehe.”
Der Antragsgegner äußerte, er habe in Kenntnis der EuGH-Entscheidung gehandelt, diese jedoch nicht zum Anlass für Nachforschungen genommen, da er sie für grundgesetzwidrig und für mit der EU Grundrechte-Charta unvereinbar halte. Er sehe es nicht als seine Aufgabe, Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Hieraus schloss die Kammer, dass der Antragsgegner die Rechtswidrigkeit des Inhalts zumindest billigend in Kauf nahm und damit bedingt vorsätzlich handelte. Auch ohne bedingten Vorsatz wäre im verhandelten Fall wohl eine Haftung denkbar: Da der Antragsgegner auf seiner Webseite Lehrmaterial verkaufte und damit nach Ansicht der Richter die Webseite mit Gewinnerzielungsabsicht betrieb, spricht nach der dargestellten EuGH-Rechtsprechung die widerlegbare Vermutung gegen ihn, dass er die Urheberrechtswidrigkeit auf der verlinkten Webseite hätte kennen müssen.
3. Hohe Abmahngebühren drohen
Rein tatsächlich dürfte die Prüfung jedenfalls Kleinunternehmern und Firmen ohne eigene Rechtsabteilung schwerfallen. Um nicht die Abmahnfalle zu tappen, wird im Zweifel das Verlinken auf fremde Inhalte unterbleiben.
Ebenfalls Unmut ruft der festgesetzte Streitwert hervor. Das Gericht begründete die getroffene Festsetzung in Höhe von 6.000,00 EUR mit dem Unterlassungsinteresse des Antragsstellers. Zwar sei die Verletzungshandlung nur eine Verlinkung, gleichwohl sei diese rechtlich als eigene Zugänglichmachung zu bewerten. Hinzu komme, dass das Verfügungsmuster in nach § 23 UrhG unfreier Form verwendet worden ist, was den Angriffsfaktor erhöhe. Daher erschien dem Gericht der angesetzte Streitwert als (noch) angemessen.
Rechnet man überschlägig nach, ergeben sich für den Unterliegenden jedenfalls insgesamt 960 EUR netto Rechtsanwaltskosten (eigene und gegnerische Anwaltskosten), wenn kein Termin vor Gericht stattfindet. Treffen sich die Parteien zur Verhandlung, fallen weitere 848 EUR netto an. Hinzu kommen Gerichtskosten von 248 EUR. Summa summarum sind dies 2.000 EUR. Ist die Sache im einstweiligen Rechtsschutz nicht beendet, sondern soll in der Hauptsache weitergestritten werden, verdoppeln sich die Kosten in etwa.
4. Fazit
Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg gibt einen Vorgeschmack darauf, wie problematisch die EuGH-Rechtsprechung für die Internetwirtschaft noch werden wird. Kommerziellen Webseitenbetreibern ist aufgrund der unsicheren Rechtslage anzuraten, vor einer Verlinkung auf Inhalte Dritter zu überprüfen, ob auf der jeweiligen Webseite evidente Urheberrechtsverletzungen vorliegen und im Zweifel von einer Verlinkung abzusehen. Ob sich die Argumentation des Landgerichts in Zukunft durchsetzen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Das Landgericht erweckte im Nachgang der Entscheidung zumindest den Eindruck, als seien dem Gericht die Konsequenzen, die aus dieser an den EuGH angelehnten Rechtsprechung erwachsen, selbst nicht ganz geheuer:
Auf Anforderung des renommierten Heise-Verlages zu bestätigen, dass sämtliche urheberrechtlich geschützten Inhalte auf der Webseite des Gerichts “in keiner Form und an keiner Stelle gegen die Vorgaben des Urheberrechts oder verwandter Gesetze verstoßen“, antwortete das Gericht drei Tage später ausweichend, dass es davon ausginge, “dass die Zugänglichmachung sämtlicher Inhalte auf der Seite des Landgerichts rechtmäßig erfolgt, es aber gleichwohl keinen Anlass für eine rechtsverbindliche Erklärung sähe.”
Wer möchte auch schon gerne verbindlich dafür einstehen, dass Webseiten Dritter tatsächlich urheberrechtskonform sind?