Immer mehr Software-Anbieter verabschieden sich vom „klassischen“ Verkauf sog. perpetual Licenses und bieten Software as a Service („SaaS“) an. Dabei handelt es sich um die zeitlich befristete Nutzung einer Software, die oftmals durch den Anbieter der Software in eigenen oder gemieteten Rechenzentren gehosted wird. Dabei ist häufig keine Installation oder Wartung der Software in dem Rechenzentrum und auf den Rechnern des Kunden erforderlich. Die Kunden erreichen die Software-Lösung über einen Internetbrowser oder eine andere Datenfernverbindung. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Die Unternehmen haben geringere Anschaffungskosten und auch die SaaS-Anbieter sparen, weil Wartung und Support für alle Nutzer auf einer sog. Multi-Tenancy-Plattform ebenfalls erheblich einfacher und kostengünstiger ist. Klassischer Anbieter einer solchen Lösung ist Salesforce mit seinem Customer-Relation-Management-Tool.
US-Anbieter und deutsche Unternehmen als deren Kunden haben bei der Vertragsverhandlung oft unterschiedliche Erwartungshaltungen. Diese resultiert aus einem anderen Rechtsverständnis. Dieser Beitrag untersucht die Vertragsklauseln, die in Vertragsverhandlungen typischerweise diskutiert werden und zeigt Kompromisse auf, die sich in der Praxis bewährt haben.
Vertragsdokumente bei SaaS und deren rechtliche Einordnung
Verträge zur Bereitstellung von SaaS-Diensten werden in der Regel Subscription- oder Abonnementen-Vertrag genannt und werden im deutschen Recht als Mietverträge eingeordnet.
Neben dem Subscription- oder Abonnementen-Vertrag wird der Support und die Wartung meist separat in einem sog. Service Level Agreement („SLA“) geregelt. Im SLA werden Dienst- oder Werkleistungen vereinbart, je nachdem ob ein Erfolg geschuldet wird (dann Werkvertrag) oder nicht (in diesem Fall liegt ein Dienstvertrag vor).
Im anglo-amerikanischen Recht, das kaum geschriebene Gesetze kennt, sondern Recht durch Rechtsprechung entwickelt (sog. „Case Law“), gibt es – anders als im deutschen Recht – keine strenge Zuordnung derartiger Verträge in bekannte Vertragstypen. Es gilt primär, was die Parteien im Vertrag regeln, ohne dass diese Regelungen wie im deutschen Recht einer strengen AGB-Inhaltskontrolle unterliegen. Das kann zu Herausforderungen bei der Vertragsverhandlung zwischen US-Anbietern und deutschen Unternehmen führen, da US-Anbieter für sie günstige Regelungen fernab des Leitbilds der Miete in ihren Standardverträgen vorsehen und nur in den seltensten Fällen deutsches Recht zur Anwendung kommen wird.
Vertragliche Regelungen von US-Anbietern vs. Besonderheiten des deutschen Mietrechts
Aus der mietrechtlichen Einordnung des Subscription-Vertrages im deutschen Recht resultieren oftmals unterschiedliche Erwartungshaltungen an den Umfang der Gewährleistung und der Haftung des US-Anbieters. Dieser Beitrag beleuchtet die in der Praxis häufig diskutierten Gewährleistungs- und Haftungsregelungen in Subscription-Verträgen und gibt deutschen Unternehmen Tipps, welcher Kompromiss verhandelt werden könnte:
Diskussionspunkt 1: Dauer der Gewährleistungsfrist
Haben Sie mit Ihrem Unternehmen schon einmal einen Subscription-Vertrag mit einem US-Anbieter verhandelt und dieser hat Ihnen eine Gewährleistungsfrist von 30 bis 90 Tagen angeboten? Zu Recht sind deutsche Kunden bei derart kurzen Gewährleistungsfristen, die im angloamerikanischen Recht zulässig sein dürften, irritiert. Denn deutsche Unternehmen sind das deutsche Rechtsverständnis gewöhnt: der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter nach deutschem Recht in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der gesamten Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Statt 30 bis 90 Tage müsste der SaaS-Anbieter nach dem deutschen Rechtsverständnis somit während der gesamten Nutzungsdauer der SaaS-Dienste diese mangelfrei zur Verfügung stellen. Auch im deutschen Kauf- und Werkvertragsrecht kennen deutsche Unternehmen im B2B-Bereich zumindest Gewährleistungsfristen von 12 Monaten. Was können Sie als Unternehmen also tun, um diesen Konflikt zu lösen?
Verhandlungstipp aus der Praxis: Als Unternehmen sollten Sie in einem ersten Schritt versuchen, die Verlängerung der Gewährleistungsfrist zu verhandeln. Die Intensität dieser Verhandlungen richtet sich nach der Kritikalität des SaaS-Dienstes für Ihr Unternehmen. Sollte sich der US-Anbieter partout nicht auf eine längere Gewährleistungsfrist einlassen, sollte Sie bei seiner Risikobetrachtung berücksichtigen, dass sich die meisten gravierenden Mängel eines SaaS-Dienstes unmittelbar nach der Bereitstellung zeigen werden. Außerdem geht es dem Unternehmen in den meisten Fällen darum, dass der SaaS-Dienst uneingeschränkt läuft. Dieses Ziel wird unabhängig von der Gewährleistung über den Support im Rahmen des SLAs erreicht.
Diskussionspunkt 2: Definition des Mangelbegriffs
US-Anbieter beschränken ihre Gewährleistung häufig darauf, dass der SaaS-Dienst „im Wesentlichen“ („essentially“) den geschuldeten Funktionalitäten oder der Dokumentation entspricht. Eine Formulierung, die bei deutschen Unternehmen zu Unverständnis führt, da nach dem deutschen Rechtsverständnis ein Mangel die Abweichung des Ist-Zustand von der Soll-Beschaffenheit ist, unabhängig davon, ob diese Abweichung erheblich ist oder nicht. Noch schwieriger für deutsche Unternehmen wird es, wenn der US-Anbieter Mängel nicht beseitigen, sondern sich nur mit „reasonable efforts“ um eine Beseitigung des Mangels „bemühen“ möchte. Das deutsche Recht kennt in der Regel nur Leistungspflichten, Bemühenspflichten sind dem deutschen Recht grundsätzlich fremd. Derartige Formulierungen sind zu vermeiden, da es sich bei „im Wesentlichen“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der zum Streit darüber führen kann, ob der SaaS-Dienst nun mangelfrei ist oder nicht. Auch sollte der US-Anbieter zur Beseitigung von Mängeln verpflichtet sein. Denn es wird einem deutschen Unternehmen kaum gelingen, nachzuweisen, dass sich der US-Anbieter nicht ausreichend bemüht hat. Auch hier stellt sich die Frage, welche Schritte der US-Anbieter einleiten muss, um sich mit „angemessenen Aufwand“ bemüht zu haben. Es stellt sich somit die Frage, wie dieser Clush unterschiedlicher Rechtsordnungen für deutsche Unternehmen sinnvoll gelöst werden kann.
Verhandlungstipp aus der Praxis: In der Praxis hat es sich bewährt im Rahmen der Gewährleistung auf die Definition der Fehler in den SLAs zurückzugreifen. In SLAs wird in der Regel zwischen drei Fehlerklassen unterschieden (betriebsverhindernde, betriebsbehindernde und sonstige Fehler). Im Fall eines Fehlers der Klasse 3 („sonstige Fehler“) könnte man sich darauf einigen, dass diese mit dem nächsten Update beseitigt werden. Bedenken Sie bei diesen Diskussionen auch, dass Anbieter sog. Multi-Tenancy-Plattformen – auch im Falle einer reinen Bemühenspflicht – aus kommerziellen Gründen unter hohem Druck stehen, Mängel rasch zu beheben, da von diesen Mängeln in der Regel alle User der Plattform betroffen sein werden.
Diskussionspunkt 3: Kein Selbstvornahmerecht
Nach den gängigen Subscription-Verträgen schuldet der US-Anbieter oft nur die Nachbesserung. Die Verträge stellen dabei klar, dass es sich bei dieser Vertragsregelung, um den einzigen Rechtsbehelf handelt. Das deutsche Mietrecht im Gegenzug gewährt ähnlich wie das Werkvertragsrecht ein Selbstvornahmerecht des Mieters. Ausgehend vom Leitbild der Wohnraummiete erscheint ein solches Selbstvornahmerecht zwingend. So ist es nicht akzeptabel über einen längeren Zeitraum etwa auf Warmwasser zu verzichten, weil der Vermieter sich weigert, die erforderlichen Reparaturarbeiten vorzunehmen. Sollten Sie als deutsches Unternehmen auf ein Selbstvornahmerecht bestehen?
Verhandlungstipp aus der Praxis: Bei den oft sehr komplexen SaaS-Diensten ist der Anbieter aufgrund seiner Entwicklungsarbeit der Experte und kann nicht ohne weiteres durch eigene IT-Mitarbeiter oder Dritte ersetzt werden. Daher ist es für beide Vertragsparteien meist ratsam, zumindest die Selbstvornahme durch das Unternehmen auszuschließen. Zertifizierte Partner des SaaS-Anbieters, die aufgrund von Schulungen und Teilnahme an einem Partnerprogramm einen Partnerstatus erreicht haben, können hingegen ebenfalls Fehler und Mängel beheben. Damit das Unternehmen nicht ohne funktionsfähigen SaaS-Dienst auskommen muss, sollten in dem SLA Reaktions- und im besten Fall (in der Praxis leider oft schwer durchzusetzen) Fehlerbehebungszeiten vereinbart werden. Diese könnten an die Zahlung einer Vertragsstrafe geknüpft sein. Diese nennt sich im SaaS-Umfeld „Service Credit(s)“. Aber Achtung (!) insbesondere US-Anbieter regeln oft in SLAs, dass die Service Credits der „einzige Rechtsbehelf“ („sole and exclusive remedy“) sind. Service Credits sind meist nicht höher als die monatliche Vergütung und werden verrechnet. Die Zahlung von Service Credits in Verbindung mit der Regelung, dass es sich um den einzigen Rechtsbehelf handelt, stellt meist eine weitere effektive Haftungsbeschränkung für den SaaS-Anbieter dar, die aus Unternehmenssicht nicht akzeptabel ist. Es sollte eine über den Service Credit hinausgehende Haftung vereinbart werden.
Diskussionspunkt 4: Kein sofortiges Minderungsrecht
Im SLA sind Reaktionszeiten definiert. Während dieser Reaktionszeiten steht dem deutschen Unternehmen kein Rechtsbehelf z.B. in Form eines Minderungsrechts zu. Der Mieter hat im deutschen Mietrecht hingegen sofort ab Mangelhaftigkeit der Mietsache ein Minderungsrecht. Auch dies erscheint bei der Wohnraummiete als Leitbild des deutschen Mietrechts zwingend, um den Vermieter anzuhalten, rasch den Mangel zu beheben und den gebrauchsgemäßen Zustand der Mietswohnung möglichst zügig wiederherzustellen. Bei SaaS-Diensten, denen komplexe Software zugrunde liegt, die „niemals fehlerfrei“ ist, erscheint das harte Schwert des sofortigen Minderungsrecht hingegen nicht sachgemäß. Es stellt sich gleichwohl auch hier für das deutsche Unternehmen die Frage, ob dies akzeptabel ist oder sich Verhandlungen lohnen.
Verhandlungstipp aus der Praxis: Mit den im SLA vereinbarten Reaktions- und ggf. auch Fehlerbehebungszeiten hat sich ein für beide Seiten vertretbarer Kompromiss entwickelt.
Diskussionspunkt 5: Umfassende Haftungsbeschränkung
Insbesondere US-Anbieter beschränken in Subscription-Verträgen ihre Haftung umfassend. Eine Haftung für mittelbare Schäden, Folgeschäden sowie entgangener Gewinn ist stets ausgeschlossen. Das anglo-amerikanische Recht kennt sog. Strafschadensersatz („punitive damages“). Anders als im deutschen Schadensersatzrecht, das stets nur den tatsächlich erlittenen Schaden ausgleichen möchte, sprechen daher Gerichte oft hohe Schadensersatzsummen zu, völlig unabhängig davon, ob der Geschädigte diesen Schaden tatsächlich erlitten hat. Diesem Ansatz liegt der Straf- und Erziehungsgedanke zugrunde. Vor diesem Hintergrund versuchen US-Anbieter ihre Haftung vertraglich weitgehend auszuschließen. Auch für direkte Schäden ist der Ersatz oft auf die vom deutschen Unternehmen ggf. für einen gewissen Zeitraum entrichtete Vergütung beschränkt.
Verhandlungstipp aus der Praxis: Verhandlungen im Rahmen dieser umfangreichen Haftungsbeschränkungen sind erfahrungsgemäß oft zäh. Wie intensiv diese Verhandlungen geführt werden, hängt auch hier von der Kritikalität des SaaS-Dienstes für Ihr Unternehmen ab. Bei der internen Risikobetrachtung sollte geprüft werden, welche Schadensverläufe und Schadenshöhen realistisch eintreten können und daran der weitere Verhandlungsansatz orientiert werden. Bei geschäftskritischen kostenintensiven SaaS-Diensten ist die Verhandlungsbereitschaft des US-Anbieters in der Regel größer als bei geringen, kostengünstigeren Diensten.
Fazit
Auch wenn US-Anbieter und deren deutsche Kunden oft abweichende Erwartungshaltungen aufgrund der Unterschiede zwischen den angebotenen Vertragsregelungen nach dem Vorbild anglo-amerikanischen Rechts und dem deutschen Mietrecht haben, hat sich in der Praxis mit SLAs ein Regime entwickelt, mit dem sowohl deutsche Unternehmen als auch US-amerikanische Anbieter mit gewissen in diesem Beitrag aufgezeigten Nachverhandlungen, die deutsche Unternehmen insbesondere bei geschäftskritischen Diensten versuchen sollten, leben können.