Weiter geht’s mit unserer kleinen Serie zum Beschäftigtendatenschutz. Hier geben wir in unregelmäßigen Abständen einen kurzen Überblick über aktuelle Rechtsprechung zum Thema Beschäftigtendatenschutz.

Rechtsprechung zu Art. 15 DSGVO:

  • LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. März 2023 (5 Sa 1046/22): Recht auf Auskunft auch bei datenschutzfremden Motiven

Laut Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg können Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie auch dann auf Art. 15 DSGVO gestützt werden, wenn sie nicht dem Zweck dienen, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. In solchen Fällen sei das Begehren nicht rechtsmissbräuchlich und offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO.

  • OLG Nürnberg, Urteil vom 6. November 2023 (4 U 347/21): Kein Rechtsmissbrauch, wenn ein Betroffener das Auskunftsrecht (auch) für datenschutzfremde Motive verwendet

Auch das OLG Nürnberg stellt hohe Anforderungen an einen „Rechtsmissbrauch“. Nach Wortlaut und Zweck von Art. 12 Abs. 5 S. 1, Art. 15 DSGVO liege kein Missbrauch vor, wenn ein Betroffener das Auskunftsrecht (auch) für datenschutzfremde Motive verwende, etwa um Informationen für Vergleichsverhandlungen oder um bei ihm nicht mehr vorhandene Vertragsinformationen zu erhalten (z. B. Auskunft über Konten, Versicherungsbedingungen etc.), da sich eine solche Beschränkung auf eine bestimmte Motivlage nicht in Art. 15 DSGVO finde. Dies gelte auch, wenn die Auskunft gem. Art. 15 DSGVO beim Verantwortlichen sehr viel Aufwand verursache, da der Aufwand des Verantwortlichen für Art. 15 DSGVO keine Rolle spiele.

  • LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2023 (3 Sa 33/22): Kein immaterieller Schaden aufgrund verspäteter Auskunftserteilung

Der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung genüge nicht, um einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen. Art. 82 Abs. 1 DSGVO enthalte keine Vermutung dahingehend, dass der mit einem Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung einhergehende Kontrollverlust zu einem ersatzfähigen immateriellen Schaden führe. Darüber hinaus entschied das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, dass ein Antrag gemäß Art. 15 Abs. 1 W. 1 Hs. 2 DSGVO auf Auskunftserteilung über “sämtliche personenbezogenen Daten” regelmäßig nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genüge.

  • LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2023 (Az. 3 Sa 285/23): Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen verspäteter oder unvollständiger Auskunft

Auch das LAG Düsseldorf vertritt in einer ganz aktuellen Entscheidung die Auffassung, dass eine verspätete oder unvollständige Auskunft keinen Anspruch auf Schadensersatz begründet, da die bloße Verletzung der Auskunftspflicht keine gegen die DSGVO verstoßende Datenverarbeitung darstelle.

Diese Entscheidung ist deshalb interessant, weil in jüngerer Vergangenheit einige Arbeitsgerichte in NRW einen solchen Anspruch auf Schadensersatz noch bejaht hatten.

  • LG Baden-Baden, Urteil vom 24.08.2023 (Az. 3 S 13/23): Ein Auskunftsanspruch kann sich auch auf die Nennung der Vor- und Zunamen von Mitarbeitenden des Verantwortlichen erstrecken

Der Betroffene hat einen Anspruch auf Auskunft der Vor- und Zunamen der Mitarbeiter des Verantwortlichen, sofern seine personenbezogenen Daten den Mitarbeitern offengelegt und von diesen privat verarbeitet worden sind. Die Mitarbeiter des Verantwortlichen, denen gegenüber personenbezogene Daten des Betroffenen zur Kontaktaufnahme über den privaten Account eines Messengerdienstes offengelegt worden sind, seien „Empfänger” im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO.

Rechtsprechung zu Art. 17 DSGVO:

Hinweis: Interessant an den folgenden zwei Urteilen ist, dass das Landesarbeitsgericht Sachsen (Urteil vom 31. März 2023 (4 Sa 117/21)) und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 28. Juli 2023 (9 Sa 73/21)) bei ähnlich gelagerten Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen:

  • LAG Sachsen, Urteil vom 31. März 2023 (4 Sa 117/21): Art. 17 Abs. 1 DSGVO konstatiert kein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Hintergrund des Urteils war die Forderung einer ehemaligen Arbeitnehmerin, nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zwei Abmahnungen aus ihrer Personalakte entfernen zu lassen. Das Landesarbeitsgericht Sachsen urteilte, dass ein solcher Anspruch nur ausnahmsweise dann gegeben sein könnte, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden könnte. Das in Art. 17 Abs. 1 DSGVO geregelte Recht auf Löschung personenbezogener Daten sei auf in Papierform geführte Personalakten nicht anwendbar.

  • LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juli 2023 (9 Sa 73/21): Ein Arbeitnehmer kann nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO nach Ende des Arbeitsverhältnisses regelmäßig die Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied mit Urteil vom 28. Juli 2023 indes, dass Arbeitnehmer nach Ende des Arbeitsverhältnisses regelmäßig die Löschung einer Abmahnung aus ihrer Personalakte nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO verlangen könnten. Dies gelte auch für Papierakten, da Art. 2 Abs. 1 DSGVO keine elektronische Verarbeitung von Daten voraussetzt. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses seien Abmahnungen für den Zweck, für den sie in der Personalakte gespeichert worden sind grundsätzlich nicht mehr erforderlich.

Rechtsprechung zum Thema Datenschutzbeauftragter:

  • BAG, Urteil vom 6. Juni 2023 (9 AZR 383/19): Die gleichzeitige Ausübung des Betriebsratsvorsitzes und der Rolle als Datenschutzbeauftragter kann ein Grund zur Abberufung nach § 4 f BDSG a. F. sein

Mit Urteil vom 6. Juni 2023 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Vorsitz im Betriebsrat einer Wahrnehmung der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten typischerweise entgegenstehe. Der Arbeitgeber sei in der Regel berechtigt, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des § 4 f BDSG a. F. zu widerrufen. Der Interessenskonflikt bestehe regelmäßig darin, dass der Datenschutzbeauftragte durch den Vorsitz im Betriebsrat eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat.

Rechtsprechung zum Thema Videoüberwachung:

  • BAG, Urteil vom 29. Juni 2023 (2 AZR 296/22): Kein Verwertungsverbot hinsichtlich offener Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers belegt

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass in einem Kündigungsschutzprozess nach Maßgabe der DSGVO und der ZPO kein Verwertungsverbot in Bezug auf Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzliches vertragswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers belegen sollen, besteht. Dies gelte selbst dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.