Die werbliche Ansprache von Bestandskunden per E-Mail ist für Unternehmen ein zentrales Element der Kundenbindung und des eCommerce-Marketings. Die Zulässigkeit dieser Direktwerbung richtet sich in Deutschland nach den engen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG. Diese Regelung setzt die europarechtliche Vorgabe des Art. 13 der ePrivacy-Richtlinie um. In der Praxis bestanden jedoch Unklarheiten hinsichtlich des Umfangs des Bestandskundenprivilegs, insbesondere in Bezug auf die notwendige Entgeltlichkeit der Leistung und das Verhältnis zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 13. November 2025 in der Sache C-654/23 (Inteligo Media SA) bringt hier nun Klarheit und weitet den Anwendungsbereich der Norm aus.
Erlangung der E-Mail-Adresse: Zählt der „Verkauf“ von kostenlosen Diensten?
Bislang wurde in der deutschen Rechtsliteratur und Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten, dass die E-Mail-Adresse im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG nur dann „im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung“ erlangt wird, wenn tatsächlich ein entgeltlicher Leistungsaustausch (z.B. Kaufvertrag) stattgefunden hat. Die bloße kostenlose Registrierung auf einer Plattform oder eines kostenlosen Nutzerkontos schienen das Privileg nicht zu tragen.
Der EuGH hat dieser restriktiven Auslegung nun eine Absage erteilt. In der zugrundeliegenden Konstellation, in der ein Nutzer ein kostenloses Konto auf einer Online-Plattform einrichtete, um unentgeltlichen Zugriff auf eine begrenzte Zahl von Artikeln und einen kostenlosen Newsletter zu erhalten, bejahte der Gerichtshof die Anwendung des Bestandskundenprivilegs. Die E-Mail-Adresse werde auch dann „im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung“ erlangt, wenn der Nutzer eine unentgeltliche Leistung in Anspruch nimmt, die der Anbahnung oder dem Erhalt eines Kundenverhältnisses dient. Dieser Aspekt ist für die E-Mail-Strategie von Unternehmen, die auf kostenlose oder Test-Angebote setzen wichtig, da er den Kreis der potenziellen Bestandskunden nach § 7 Abs. 3 UWG erweitert.
Verhältnis zur DSGVO: Verdrängt Art. 13 ePrivacy-RL die zusätzlichen Anforderungen des Art. 6 DSGVO?
Eine zweite, ebenso wichtige Klärung betrifft das Verhältnis zwischen Lauterkeitsrecht und Datenschutzrecht. Es war umstritten, ob neben der lauterkeitsrechtlichen Zulässigkeit der E-Mail-Werbung nach § 7 Abs. 3 UWG zusätzlich eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der E-Mail-Adresse zum Zwecke der Direktwerbung nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO erforderlich ist.
Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass Art. 13 Abs. 2 der ePrivacy-Richtlinie eine spezifische Rechtsgrundlage darstellt, welche die Voraussetzungen für die rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Versendung unerbetener Nachrichten regelt. Wenn die strengen Anforderungen des Art. 13 Abs. 2 (und damit des § 7 Abs. 3 UWG) erfüllt sind, sind die zusätzlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO insoweit nicht anwendbar. Damit bestätigt der EuGH, dass die ePrivacy-Richtlinie als „lex specialis“ fungiert und die Notwendigkeit einer doppelten Rechtsgrundlagenprüfung entfällt. Die Zulässigkeit der Verarbeitung der E-Mail-Adresse für die beworbene Direktwerbung richtet sich abschließend nach den Kriterien des Bestandskundenprivilegs.
Fazit
Das Urteil stärkt die Position der werbetreibenden Unternehmen und schafft Rechtssicherheit. Die Reichweite des Bestandskundenprivilegs kann nun auch auf Adressen aus der Bereitstellung kostenloser Dienste anwendbar sein. Ferner müssen Unternehmen, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG vorliegen, die Verarbeitung nicht zusätzlich auf eine weitere Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO stützen. Hier ist aber zu beachten, dass die übrigen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG – insbesondere die Werbung für eigene ähnliche Produkte/Dienstleistungen und die klare, jederzeitige Widerspruchsmöglichkeit – weiterhin eingehalten werden müssen.
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