Der Digital Services Act soll noch in diesem Jahr in Kraft treten. Dann soll gelten, dass „was offline illegal ist, auch online verboten ist“, so die Intention des Gesetzgebers. Für Online-Plattform-Betreiber ergeben sich aus dem Digital Service Act umfassende neue Regelungen für mehr Transparenz und mehr Schutz von Verbrauchern. Lesen Sie hier, für wen der Digital Services Act Anwendung findet und was es bei der Umsetzung zu beachten gilt.

Worum geht es?

Die Europäische Union befindet sich in den letzten Zügen der Verabschiedung eines umfassenden Regulierungspakets, das aus zwei Verordnungen besteht: dem Gesetz über die digitalen Dienste (Digital Services Act) und dem Gesetz über die digitalen Märkte (Digital Markets Act). In diesem Beitrag geht es um den Digital Services Act, ein folgender Beitrag wird sich mit dem Digital Markets Act befassen. Als EU-Verordnungen werden die neuen Bestimmungen für alle Unternehmen in Europa unmittelbar gelten, ohne dass die Gesetze in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden müssen. Dadurch soll ein einheitlicher Rechtsrahmen für die ganze EU geschaffen werden, in dem der Digital Markets Act zu einem fairen Wettbewerb zwischen den Plattformanbietern und der Digital Services Act zu einem besseren Grundrechtsschutz und effektiver Rechtsdurchsetzung im Internet führen soll.

Welche Unternehmen sind vom Digital Services Act betroffen?

Der Digital Services Act richtet sich an digitale Dienste, die Verbrauchern mit Wohnsitz oder Niederlassung in der EU den Zugang zu Inhalten, Waren und Dienstleistungen ermöglichen, unabhängig, ob die Anbieter ihren Sitz in der EU oder außerhalb haben. Im Digital Service Act werden diese Dienste als „Vermittlungsdienste“ bezeichnet. Von dieser weiten Definition sind alle Online-Plattformen umfasst, die sich an Verbraucher richten, z. B. Verkaufsplattformen, soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Cloud- und Messaging-Dienste.

Für Online-Plattformen gibt es im Digital Services Act nach deren Größe abgestufte Regelungen: Der erste Teil der Regelungen betrifft alle Online-Plattformen unabhängig von ihrer Größe und Nutzerzahl. Der zweite Teil der Regelungen richtet sich nur an Plattformen mit mehr als 45 Millionen Nutzern pro Monat – diese werden als „sehr große Online-Plattformen“ definiert. So hohe monatliche Nutzerzahlen werden regelmäßig nur von den Global Playern der Online-Plattformen erreicht, wie etwa Meta (Facebook), Google und Amazon.

Welche neuen Regelungen ergeben sich aus dem Digital Services Act für Unternehmen?

Einige der Regelungen aus dem Digital Services Act finden sich in Deutschland bereits in bestehenden Gesetzen, andere deutlich strengere Vorschriften sind auch für deutsche Unternehmen neu.

Zentral für den Digital Services Act ist, dass alle Online-Plattformen in die Verantwortung genommen werden, illegale Inhalte, Waren und Dienstleistungen zu bekämpfen und entsprechende Einträge zu löschen. Eine Pflicht zur Vorabprüfung von Inhalten gibt es ausdrücklich nicht. Inhalte müssen aber gelöscht werden, nachdem Plattformanbieter von Justiz- und Verwaltungsbehörden über von den Plattformanbietern eingerichtete elektronische Kontaktstellen zur Löschung aufgefordert werden. Gewaltaufrufe und illegale Hassrede soll damit schneller als bisher entfernt werden. Auch der Verkauf von gefährlichen oder gefälschten Produkten soll europaweit einheitlich unterbunden werden.

Durch das Gesetz werden zudem die Transparenzpflichten gegenüber Nutzern erhöht. So sollen irreführende Benutzeroberflächen verboten werden und es soll untersagt werden, Verbraucher durch manipulative „Dark Patterns“ zu bestimmten Kaufentscheidungen zu drängen. Dark Patterns beschreibt ein Benutzerschnittstellen-Design, das Benutzer zu Handlungen verleiten soll, die deren Interessen entgegenlaufen.

Sensible Daten – z. B. Herkunft, Gesundheit und sexuelle Orientierung – dürfen nicht mehr für individuell zugeschnittene Werbung genutzt werden. Der Kinder- und Jugendschutz soll dadurch gestärkt werden, dass Plattformen ihre Daten nicht für personalisierte Werbung und Tracking nutzen dürfen. In den Nutzungsbedingungen von Plattformen, die Empfehlungsalgorithmen nutzen, muss erklärt werden, welche Faktoren die Empfehlungen leiten. Zudem muss Nutzern von Seiten der Anbieter ein internes Beschwerdemanagementsystem zur Verfügung gestellt werden. Plattformanbieter, die keine Niederlassung in der EU haben, müssen – vergleichbar dem EU-Inlandsvertreter gemäß Art. 27 DSGVO – einen gesetzlichen Vertreter in einem Mitgliedsstaat benennen.

Für „sehr große Online-Plattformen“ mit mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzern gilt darüber hinaus, dass sie durch den Digital Services Act der Aufsicht durch die Europäische Kommission als primäre Regulierungsstelle unterstellt werden, was eine einheitliche Umsetzung und Kontrolle der Regelungen ermöglichen soll. Die Anbieter „sehr großer Online-Plattformen“ haben an die Kommission eine jährliche Aufsichtsgebühr zu zahlen. Außerdem werden sie verpflichtet, jährliche Risikoprüfungen durchzuführen und ihre Empfehlungsalgorithmen (auch für Forschungszwecke) transparenter zu machen.

Verstöße gegen den Digital Services Act können für Unternehmen mit empfindlichen Geldbußen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes geahndet werden, es können aber auch weitere Maßnahmen wie die zeitweilige Aussetzung der Dienste ergriffen werden.

Wann treten die Reformen in Kraft?

Am 23. März 2022 haben sich der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament auf einen verbindlichen Entwurf des Digital Services Acts geeinigt. Am 5. Juli 2022 ist das Gesetz durch das Europäische Parlament bestätigt worden. Nun muss nur noch der Rat der Europäischen Union zustimmen, was aber als Formsache gilt.

Es ist davon auszugehen, dass die Verordnung im dritten oder vierten Quartal 2022 in Kraft treten wird. Unternehmen müssen die neuen Regelungen jedoch nicht ab diesem Tag einhalten, sondern dürfen sich auf Übergangsfristen berufen. Dies bedeutet für „sehr große Online-Plattformen“, dass sie die Vorschriften des Digital Services Act vier Monate nachdem sie von der Kommission als „sehr große Online-Plattformen“ eingestuft wurden, einhalten müssen. Alle anderen Plattformanbieter müssen die Regelungen des Digital Service Act 15 Monate nach Inkrafttreten des Digital Service Act befolgen, allerdings frühestens ab dem 1. Januar 2024.

Was ist Unternehmen zu raten?

Sobald die Verordnung mit ihrem finalen Wortlaut in Kraft getreten ist, sollten Plattformanbieter die Übergangsfristen nutzen und prüfen, ob und inwieweit sie Adressaten des Gesetzes sind und welche Maßnahmen erforderlich sind. Auch wenn kleinere und mittlere Online-Plattformen von weniger neuen Vorschriften betroffen sein dürften, müssen auch sie untersuchen, ob ihre derzeitig etablierten Compliance-Mechanismen ausreichend sind und gegebenenfalls frühzeitig zusätzliche Maßnahmen ergreifen.